Olaf Ludwig

deutscher Radsportler
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 25. August 2005 um 00:53 Uhr durch AF666 (Diskussion | Beiträge) (→‎Weblinks). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Olaf Ludwig (* 13. April 1960 in Gera) war in den 1980er und 1990er Jahren einer der erfolgreichsten deutschen Radsportler.

Olaf Ludwig (2002)

Leben und Karriere

Kindheit und Jugend

Ludwigs Eltern waren der Maschinist Rolf Ludwig (†1977) und Sieglinde Ludwig. Seit 1967 lebte die Familie im Stadtteil Thieschitz, einem kleinen Vorort mit ländlichem Charakter. Schon in seiner Kindheit war Olaf Ludwig sehr sportbegeistert - er spielte Fußball und war Leichtathlet. In beiden Sportarten verfügte er nach Meinung seiner Trainer über ein gewisses Talent.

Im Mai 1972 war Gera Etappenort der Internationalen Friedensfahrt. Dieses Ereignis war für den zwölfjährigen Olaf derart beeindruckend, dass er bei der Sportgemeinschaft Dynamo Gera Mitte mit dem Radsport begann. Dort wurde sein Talent schnell erkannt, und bereits ein Jahr später sollte der Junge entsprechend dem Sportförderprogramm der DDR zu einem Verein in Berlin delegiert werden. Dies hätte bedeutet, ihn auf ein Internat zu schicken. Seine Eltern lehnten jedoch ab, und Olaf verblieb in Gera.

Ab 1974 wurde er bei der SG Wismut, zu der die Rennabteilung der Sportgemeinschaft Dynamo gewechselt war, von dem ehemaligen Straßenfahrer Werner Marschner trainiert, der ihn sehr förderte. Nachdem er 1976 bei der Internationalen Junioren-Sternfahrt in Neugersdorf den dritten Platz belegt hatte, wurde er in die Junioren-Nationalmannschaft der DDR aufgenommen.

1977 war das bis dahin erfolgreichste Jahr für den jungen Olaf Ludwig. Bei den Jugendwettkämpfen der Freundschaft in Havanna gewann er mit Thomas Barth, Falk Boden und André Kluge im Mannschaftszeitfahren. Wenige Wochen später errang die Mannschaft bei der Junioren-Weltmeisterschaft im österreichischen Stockerau die Goldmedaille. Im August desselben Jahres lernte er in einer Disco seine spätere Ehefrau, Heike Födisch, kennen. Sie stammt aus Reichardtsdorf bei Bad Köstritz. Überschattet wurde dieses für Olaf Ludwig so erfolgreiche Jahr im November durch den plötzlichen Tod seines Vaters Rolf.

Den Juniorenweltmeistertitel konnte die Mannschaft in unveränderter Besetzung 1978 in Washington erfolgreich verteidigen. Am Ende desselben Jahres eröffnete ihm seine Freundin Heike, dass sie schwanger war. Daraufhin musste Ludwig, der sich bereits in der Vorbereitungsphase auf seine erste Olympiateilnahme befand, dem DTSB versprechen, sie gleich nach den Olympischen Spielen 1980 zu heiraten. Dies hatte zweierlei Gründe: Zum einen war die Regierung bestrebt, dass ihre Leistungssportler als charakterliche Saubermänner und fürsorgende Familienväter dastanden, zum anderen war bei Sportlern mit familiärer Bindung die Gefahr geringer, sie könnten eine der häufigen Reisen ins westliche Ausland zur Republikflucht nutzen.

Im Sommer 1979 legte er - gemeinsam mit Thomas Barth - an der Kinder- und Jugendsportschule in Gera sein Abitur ab. Neben seiner Radsportkarriere begann er in Leipzig ein Studium zum Sportlehrer, übte den Beruf aber niemals aus.

Karriere als Amateur

1980 nahm er erstmals an der Internationalen Friedensfahrt teil und sorgte für Aufsehen, als er gleich die erste Etappe rund um Breslau gewann und zwei Etappen lang das Gelbe Trikot trug. In Berlin konnte er auch die 6. Etappe gewinnen - eine Prestigefrage, da hier bei der Zieleinfahrt die Regierung der DDR auf der Tribüne saß. Zwei Tage später gewann er die 8. Etappe in Halle und anschließend noch das Bergzeitfahren in Solenice. Seine erste Friedensfahrt konnte er mit einem dritten Platz in der Gesamtwertung beenden.

Im selben Jahr nahm er in Moskau an seinen ersten Olympischen Spielen teil. Im Mannschaftzeitfahren gewann er mit Hans Joachim Hartnick, Bernd Drogan und Falk Boden knapp die Silbermedaille, beim Einzelrennen wenige Tage später wurde er jedoch nur Zweiunddreißigster. Kurz nach seiner Rückkehr heirateten Olaf und Heike Ludwig im August 1980, nachdem ihre gemeinsame Tochter Madlen am 7. Juli 1979 zu Welt gekommen war.

1981 siegte er bei der Niedersachsenrundfahrt, anschließend konnte er fünf Etappensiege bei der Friedensfahrt feiern und belegte in der Gesamtwertung den vierten Platz. 1982 konnte er schließlich seinen ersten Friedensfahrt-Gesamtsieg feiern, nachdem er das Gelbe Trikot, das er im Prolog gewonnen hatte, schon am nächsten Tag verloren und erst in der vorletzten Etappe zurückgeholt hatte. Über die Folgen dieses Sieges schrieb er später in seiner Autobiografie Höllenritt auf der Himmelsleiter:

"Die Triumphfahrt im Fahnenmeer war schnell verrauscht, aber die Begeisterung der Menschen hielt an. Wochenlang mußte unsere Postfrau in Thieschitz Briefe und Karten kiloweise heranschleppen, nach ein paar Tagen hing sie entnervt nur noch die Einkaufstaschen voller Post an unseren Gartenzaun. [...] Es war unglaublich. Damals ist mir wirklich bewußt geworden, welche Verantwortung man als Sportler auf sich lädt, wenn man vornwegfährt und Erfolg hat. Ob man will oder nicht: Man wird von jedermann vereinnahmt, auf Schritt und Tritt beobachtet, zur gesellschaftlichen Person und zum Vorbild ernannt.
[...] Und doch hat mir diese Woge der Aufmerksamkeit viel Kraft gegeben. Der Vorsatz, die vielen Fans und Freunde in der Heimat nicht zu enttäuschen, hat mich bei allen meinen Rennen als Rückhalt und Antrieb rund um den Globus verfolgt."

Im September 1982 wurde er mit dem Nationalteam der DDR Mannschaftssieger bei der Tour de l'Avenir im Frankreich. 1983 wurde er bei der Tour Gesamtsieger. Im selben Jahr wurde er zum zweiten Mal Vater - am 3. Oktober kam sein Sohn Steven zur Welt.

1984 konnte er wegen des Boykotts der sozialistischen Staaten nicht an den Olympischen Spielen in Los Angeles teilnehmen. Als Ersatz wurden auf dem Schleizer Dreieck die so genannten "Internationalen Wettkämpfe der Freundschaft" ausgetragen. Ein Sieg bei diesen Wettkämpfen, bei denen 33 Fahrer aus elf Ländern teilnahmen, sollte vom DTSB wie ein Olympiasieg gewertet werden. Trotz der heimischen Kulisse konnte Olaf Ludwig nur Platz acht erreichen.

1985 musste er wegen einer schweren Erkältung erstmals auf den Start bei der Friedensfahrt verzichten. Allerdings wurde er wenig später Gesamtsieger der Rheinland-Pfalz-Rundfahrt.

1986 gewann er die Internationale Friedensfahrt zum zweiten Mal. Sie begann am 7. Mai in Kiew - nur zwei Wochen nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl. Gemäß Weisung der Regierung ging das DDR-Team dennoch an den Start, und Ludwig ging aus der Tour als strahlender Sieger hervor - ein Begriff, den die Zeitungen gemäß Weisung aus Berlin in diesem Jahr tunlichst vermeiden sollten. Für seinen Sieg wurde er in der DDR erstmals Sportler des Jahres.

Bei der Friedensfahrt 1987 trat erstmals der junge Usbeke Dschamolidin Abduschaparov an. Er wurde in den folgenden Jahren Ludwigs ärgster Rivale. Ihre Sprintduelle wurden legendär.

1988 wurde Olaf Ludwig in Seoul Olympiasieger im Straßenrennen vor den Westdeutschen Bernd Gröne und Christian Henn. Für diesen Sieg wurde er anschließend von Erich Honecker mit dem Vaterländischen Verdienstorden geehrt. Außerdem wurde er zum zweiten Mal Sportler des Jahres.

Das Jahr 1989 verlief für Ludwig enttäuschend. Nach einer mittelmäßigen Leistung bei der Friedensfahrt brach er sich bei der Weltmeisterschaft im französischen Chambery den rechten Daumen und konnte nicht an den Wettkämpfen teilnehmen. Im Herbst kam noch ein Handgelenkbruch hinzu, den er sich bei einer Australienreise mit der DDR-Nationalmannschaft zuzog. Bereits zu dieser Zeit erwog er ein Ende seiner Karriere.

Karriere als Profi

Nach dem Mauerfall im Herbst 1989 entschied er sich noch im selben Jahr für eine neue Karriere als Profi. Zunächst plante Ludwig einen Vertrag mit dem Team Stuttgart (aus dem 1991 das Team Telekom hervorging), doch die Vertragsunterzeichnung am 27. Dezember platzte auf Grund einer technischen Panne - Ludwigs Anrufbeantworter hatte die Nachricht nicht gespeichert, wo die Vertragsunterzeichnung stattfinden sollte. Daher unterzeichnete Ludwig am 29. Dezember einen Vertrag mit dem niederländischen Team Panasonic Sportlife. Diese Vertragsunterzeichnung bedeutete, dass Olaf Ludwig und seine Familie in die Niederlande umziehen mussten. Anfang 1990 zogen die Ludwigs nach Valkenburg. Wenige Jahre später bauten sie ein Haus in Kornelimünster bei Aachen. Er galt als ein sehr guter Berg- und Zeitfahrer und lieferte sich Jahre lang Konkurrenzkämpfe mit dem zweiten Sprinter bei Telekom Erik Zabel.

Sein erstes Profirennen war die Ruta del Sol im Februar 1990, wo er gleich die ersten beiden Etappen gewinnen konnte. Im selben Jahr gewann er bei der Tour de France zwei Etappen und das Grüne Trikot des besten Sprinters.

Im April 1992 wurde er beim legendären Straßenrennen Paris-Roubaix Zweiter. Mit dieser Strecke verband er in seiner gesamten Profikarriere eine Art Hassliebe - 1993 wurde er bei diesem Rennen Dritter, 1994 Vierter. Der zweite Platz von 1992 bewirkte, dass Ludwig die Führung im Weltcup übernahm. Bis zum letzten Rennen der Saison im Oktober auf Mallorca konnte er diese Führung beibehalten - Olaf Ludwig wurde Weltcupsieger.

Kurz nach seinem zweiten Platz bei Paris-Roubaix gewann er das Amstel Gold Race in Maastricht und wurde nun auch in seiner neuen niederländischen Heimat als Held gefeiert. Im Mai gewann er die Vier Tage von Dünkirchen. Im Juli konnte er die letzte Etappe der Tour de France auf dem Champs-Elysees gewinnen.

1993 wechselte er zum Team Telekom, für das er am 17. Juli in Montpellier den ersten Etappensieg bei der Tour de France einfahren konnte. Am 29. August wurde er im Einzelrennen bei der Weltmeisterschaft der Profis in Oslo Dritter hinter Lance Armstrong und Miguel Indurain.

Im Herbst 1993 wurde Ludwig zum dritten Mal Vater - seine Tochter Romina kam am 31. Oktober zur Welt.

1994 gewann er das Radrennen Rund um den Henninger Turm. Das folgende Jahr 1995 verlief für ihn äußerst unbefriedigend - bei Paris-Roubaix wurde er Vierundzwanzigster, bei der Tour de France schied er vorzeitig aus, nachdem er bei der neunten Etappe nur Platz 161 erreicht hatte. Danach beschloss er, sich 1996 mit nunmehr 36 Jahren auf seine dritte Olympiateilnahme zu konzentrieren und anschließend seine Karriere zu beenden. Am 5. Oktober 1995 erhielt er durch den Geraer Oberbürgermeister Ralf Rauch die Ehrenbürgerwürde seiner Heimatstadt.

Nach einigem Pech im Frühjahr 1996 - Reifenschäden verhinderten seinen Erfolg bei der Flandern-Rundfahrt, bei Drei Tage von De Panne und bei Paris-Roubaix - wurde er Achter bei Rund um den Henninger Turm und gewann am 12. Juli zum zweiten Mal die Rheinland-Pfalz-Rundfahrt. Daraufhin startete er am 31. Juli zum Einzelrennen bei den Olympischen Spielen in Atlanta, konnte allerdings dort nur Sechzehnter werden. Der Olympiasieger von 1996, Pascal Richard, wurde wie Ludwig acht Jahre zuvor vom früheren DDR-Auswahltrainer Wolfram Lindner trainiert, der nunmehr Schweizer Bundestrainer war.

Am 3. Oktober 1996 fuhr er auf einem Rundkurs um Gera sein Abschiedsrennen und gewann vor Dschamolidin Abduschaparov. Die Zieleinfahrt im Stadion der Freundschaft verfolgten 20.000 Zuschauer. Anschließend fand eine Abschiedsgala für Ludwig in der Erwin-Panndorf-Halle statt.

Danach fuhr er im Winter 1996/97 noch bei den Sechstagerennen in Dortmund, Köln, Bremen, Stuttgart, Berlin und Mailand. In Köln und Berlin konnte er dabei noch einmal gewinnen. Sein endgültig letztes Rennen war ein Abschiedsrennen für Danny Clark, Michael Hübner und Olaf Ludwig in der Nacht vom 14. auf den 15. Februar 1997.

Nach dem Karriereende

1997 erschien seine Autobiografie Höllenritt auf der Himmelsleiter, herausgegeben durch den Sportjournalisten Helmut Wengel. Darin enthalten sind unter anderem Beiträge von Täve Schur, Eddy Merckx und Mario Kummer. Rückblickend auf seine Karriere meint Ludwig darin:

"Ich bereue nichts. Auch nicht meine Vergangenheit in der DDR, zu der ich stehe. Dem System habe ich meine Ausbildung, meine Förderung und meinen Aufstieg in die Weltspitze des Amateurradsports zu verdanken. Daß wir das System, in dem wir sorgsam behütet, gefördert und auch bewacht wurden, nicht in Frage stellten - wer will uns das im nachhinein vorwerfen? Entscheidend war für mich immer das Menschsein, der Umgang miteinander, die Hilfe untereinander, die Fürsorge des einen für den anderen. Ich habe immer versucht, ICH zu bleiben - ob sportlich, politisch oder privat."

Nach dem Ende seiner Karriere war Olaf Ludwig 1999/2000 Vizepräsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR). Im Jahr 2000 wurde er Pressesprecher des Teams Telekom (Team T-Mobile) sowie Mitglied der Profikommission des Weltradsportverbandes UCI.

Es ist geplant, dass Ludwig ab 2006 Walter Godefroot als Manager des Teams T-Mobile ablösen soll. Zuvor soll das Team ab 2005 von einer aus Ludwig und Godefroot bestehenden Doppelspitze geleitet werden.

Er lebt nun in der Nähe von Aachen.

Literatur

  • Olaf Ludwig: Höllenritt auf der Himmelsleiter. Etappen meines Lebens. Herausgegeben von Helmut Wengel. RhinoVerlag, Arnstadt & Weimar 1997, ISBN 3932081188