Gleitlaut

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Gleitlaut ist ein linguistischer Terminus, der mehrere verschiedene Bedeutungen aufweist:

1. Gleitlaut in der älteren Phonetik. Hier hatte man die Vorstellung, dass das Aussprechen eines Lautes in drei Phasen erfolgt: Die erste Phase ist der Anglitt, bei dem die Artikulationsorgane sich so bewegen, dass letztlich die richtige Stellung für den beabsichtigten Laut erreicht ist. In dieser Stellung verharren die Artikulationsorgane dann kurz (Stellungslaut). Dann geht es beim Aussprechen eines Wortes von dieser Ruhestellung weg (das ist der sog. Abglitt) und zum nächsten Laut weiter; Anglitt und Abglitt sind die Gleitlaute, also die Übergänge zwischen den Stellungslauten. So findet man z.B. bei Jespersen (1926) im Register das Stichwort "Gleitlaute" mit Verweis auf Kap. X, wo Anglitt und Abglitt als Übergangsformen zwischen den Sprachlauten behandelt werden. Pilch (1968: 81) verweist darauf, dass die Idee, es gebe eine kurze, stabile Stellung der Artikulationsorgane, von Menzerath & Lacerda (1933) als falsch erwiesen wurde: die Artikulationsorgane seinen vielmehr in ständiger Bewegung.

Ebenfalls schon in der älteren Phonetik kommt auch die Idee auf, dass der zweite Bestandteil von Diphthongen (Jespersen 1926: 208: "der mitlautende Vokal") als "glide" (= Gleitlaut) verwendet wird. Für diese Fälle wurde der Begriff Halbvokal bzw. seltener, aber mit gleicher Bedeutung Halbkonsonant etabliert. Auch in Duden. Die Grammatik (2005: 43, 55) wird hierfür der Begriff Gleitlaut verwendet. Kohler (1977: 116) sieht bei diesen Lauten eine "Zwitterstellung zwischen phonetischer Substanz und phonologischer Funktion" erfüllt.

2. Einen anderen Begriff von Gleitlaut findet man bei Jakobson, Fant & Halle (1972: 19), wo der Frikativ [h] und der sog. Knacklaut [ʔ] als "glides" vorgestellt werden; beide Laute seien aufgrund ihrer phonetischen Eigenschaften weder als konsonantisch noch als vokalisch zu qualifizieren.

3. Kloeke (1982: 63) bestimmt, dass man mit "glide" die Halbvokale und die Laryngale (Laryngale sind die von Jakobson, Fant & Halle benannten Laute) zusammenfasse.

4. Auf einen ganz anderen Begriff von Gleitlaut macht Bußmann (2002) aufmerksam: hier wird er vor allem als "parasitär eingeschobener Laut, der nicht etymologisch begründet ist", definiert; gemeint sind damit Lauteinschübe (Epenthesen) wie das [-t-] in Wörtern "eigen-t-lich", "willen-t-lich".

Literatur

  • Bußmann, Hadumod (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. Dritte, aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002. ISBN 3-520-45203-0
  • Duden. Die Grammatik. 7., völlig neu erarbeitete und erweiterte Auflage. Dudenverlag, Mannheim/ Leipzig/ Wien/ Zürich 2007. ISBN 3-411-04047-5
  • Roman Jakobson, C. Gunnar M. Fant & Morris Halle: Preliminaries to speech analysis. The distinctive features and their correlates. Tenth printing. The M.I.T. Press, Cambridge, Mass. 1972. ISBN 262-60-001-3
  • Otto Jespersen: Lehrbuch der Phonetik. 4. Aufl. Teubner, Leipzig/ Berlin 1926.
  • Kloeke, Wus van Lessen: Deutsche Phonologie und Morphologie. Merkmale und Markiertheit. Niemeyer, Tübingen 1982. ISBN 3-484-30117-1
  • Klaus J. Kohler: Einführung in die Phonetik des Deutschen. Erich Schmidt Verlag, Berlin 1977. ISBN 3-503-01237-0
  • Paul Menzerath, & A. de Lacerda: Koartikulation, Steuerung und Lautabgrenzung. Eine experimentelle Untersuchung. Dümmler, Berlin/ Bonn 1933. (= Phonetische Studien, 1)
  • Herbert Pilch: Phonemtheorie. 2., verb. Aufl. Karger, Basel/ New York 1968. Zu Gleitlauten: S. 79ff.