Innovation und Umwelt

Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie in deutsches Recht

Die Seveso-III-Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen wurde spät in deutsches Gesetz umgesetzt. Von den Änderungen sind die Unternehmen betroffen, die eine Störfall-Anlage nach den Definitionen der Seveso-III-Richtlinie betreiben.

Das Umsetzungsgesetz umfasst Änderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG), des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) sowie des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG). Die Störfall-Verordnung (12. Verordnung zum BImSchG) sowie die 9. BImSchV (Verordnung über das Genehmigungsverfahren) wurden neu gefasst.
 
Anwendungsbereich der Störfall-Verordnung
Die zahlreichen Neuerungen insbesondere im Bundesimmissionsschutzgesetz und der Störfallverordnung (12. BImSchV) sind für betroffene Unternehmen mit neuen Pflichten verbunden, wie z. B. Anzeige-, Mitteilungs-, Informations- und Genehmigungspflichten.
Von den Änderungen sind Unternehmen betroffen, die einen Betriebsbereich nach der Störfallverordnung betreiben. Dies sind Betriebsbereiche in denen gefährliche Stoffe nach Anhang 1 der Störfallverordnung in dort genannten Mengen vorhanden sind und die festgelegten Schwellen erreichen oder überschreiten. Die Stoffliste in Anhang I zur Störfall-Verordnung (12. BImSchV) wurde an die neuen Gefahrenklassen und –kategorien der CLP-Verordnung angepasst.
Die wesentlichen Änderungen durch die Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie finden sich im Bundes-Immissionsschutzgesetz (§§ 16, 23a, 23b, 23c und 73) und in der Störfall-Verordnung. 

Begriffe und Definitionen
Sowohl im Bundes-Immissionsschutzgesetz als auch in der Störfall-Verordnung sind Begriffsbestimmungen eingefügt:
  1. a) Betriebsbereich:
    nach Bundes-Immissionsschutzgesetz ist der Betriebsbereich der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Seveso III-Richtlinie verwendet und/oder gelagert werden.
  • Betriebsbereich der unteren Klasse:
    nach der Störfall-Verordnung (12. BImSchV) sind dies solche Bereiche, in denen die in Anhang I Spalte 4 der Verordnung genannten Mengenschwellen erreicht werden. Die in Anhang I Spalte 5 genannten Mengenschwellen dürfen nicht erreicht werden.
  • Betriebsbereich der oberen Klasse:
    ein Betriebsbereich, in dem gefährliche Stoffe in Mengen vorhanden sind, die die in Spalte 5 der Stoffliste in Anhang I genannten Mengenschwellen erreichen oder überschreiten.
  • benachbarter Betriebsbereich:
    ein Betriebsbereich, der sich so nah bei einem anderen Betriebsbereich befindet, dass dadurch das Risiko oder die Folgen eines Störfalls vergrößert werden
  1. b) Neu in das BImSchG eingefügt wurden u.a. folgende Vorschriften:
    a) § 16a BImSchG: Störfallrelevante Änderung genehmigungsbedürftiger Anlage
    b) § 23a BImSchG: Anzeigeverfahren für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs sind
    c) § 23b BImSchG: Störfallrechtliches Genehmigungsverfahren
    d) § 23c BImSchG: Betriebsplanzulassung nach dem Bundesberggesetz
    e) § 25a BImSchG. Stilllegung und Beseitigung nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs sind
    f) § 48 Abs. 1a BImSchG sieht für bestehende IED-Anlagen vor, dass innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen zur Haupttätigkeit eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Verwaltungsvorschrift vorzunehmen ist.

Erweiterte Anzeige- und Informationspflichten gegenüber Behörden und Öffentlichkeit
Die Störfallverordnung aus dem Jahr 2017 fordert nun von den Betreibern mehr Informationen gegenüber Behörden und der Öffentlichkeit. Mit der Anzeige für neue Betriebsbereiche nach § 7 StörfallV müssen nicht nur Angaben über Gegebenheiten in der unmittelbaren Umgebung des Betriebsbereichs gemacht werden, sondern auch zu benachbarten Betriebsbereichen sowie zu anderen Betriebsstätten, die nicht unter den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Dies gilt auch für den zu erstellenden Sicherheitsbericht. Bei den in Umfang und Qualität erweiterten Informationspflichten gegenüber der Öffentlichkeit sind vom Unternehmen aktiv zur Verfügung zu stellen. Eine gesonderte behördliche Aufforderung hierzu ist nicht notwendig.
Überwachungssysteme

Die zuständige Überwachungsbehörde richtet ein Überwachungssystem ein. Damit stellt die Behörde sicher, dass eine planmäßige und systematische Prüfung der technischen, organisatorischen und managementspezifischen Systeme der betroffenen Betriebsbereiche durchgeführt wird. Im Falle von Beschwerden muss eine Vor-Ort Kontrolle binnen sechs Monaten erfolgen. Die zuständige Behörde kann einen geeigneten Sachverständigen mit Vor-Ort-Besichtigungen oder sonstigen Überwachungsmaßnahmen sowie der Erstellung des Berichts beauftragen.

Quasi dem Zeitgeist folgend, werden die Inspektionsfristen für Störfall-Anlagen verkürzt und den Fristen der Industrieemissionsrichtlinie (IED) angepasst, das heißt: obere Klasse ein bis drei Jahre, untere Klasse drei bis fünf Jahre. Der neue § 17 der Störfall-Verordnung schreibt – wie die IED auch – die Erstellung behördlicher Überwachungspläne und -programme vor.
Öffentlichkeitsbeteiligung durch störfallrechtliches Genehmigungsverfahren

In § 23a BImSchG wird ein störfallrechtliches Genehmigungsverfahren für immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen eingeführt. Dieses Verfahren ist zweistufig aufgebaut:
In einem Vorverfahren, das durch eine Anzeigepflicht des Betreibers bei Errichtung eines Betriebsbereichs (Bereich, in dem gefährliche Stoffe gelagert werden) oder bei einer störfallrelevanten Änderung eingeleitet wird, stellt die Behörde fest, ob die Anlage einen angemessenen Sicherheitsabstand einhält (§ 23a Abs. 1-3 BImSchG).

Soweit der Sicherheitsabstand nicht eingehalten wird, bedarf es der Durchführung eines störfallrechtlichen Genehmigungsverfahrens, das in § 23a Abs. 4-6 BImSchG geregelt ist. Es umfasst unter anderem eine Beteiligung der Öffentlichkeit. Es ist jedoch normativ nicht geregelt, wann der Sicherheitsabstand angemessen ist. Diese Unsicherheit soll wiederum durch eine neue Verwaltungsvorschrift „TA Abstand“ beseitigt werden, zu der § 48 Abs. 1 Nr. 5 BImSchG ausdrücklich ermächtigt.
Das Verfahren der Seveso-III-Umsetzung in Deutschland ist damit noch nicht abgeschlossen. Die nächsten Schritte sind die Erarbeitung der „TA Abstand" sowie eine Verwaltungsvorschrift zum neuen Anzeigeverfahren des § 23a BImSchG.