Sibilla von Bondorf

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Sibilla von Bondorf (* um 1450; † 1524 in Straßburg oder Freiburg im Breisgau), auch Sibylla von Bondorf oder in Quelltexten Sibilla von Bondorff, war eine Buchmalerin, Schreiberin, Kopistin und Nonne im Klarissenorden.

Miniatur aus der Vita des Heiligen Franziskus (um 1460/85, ca. 15 ×10 cm). München, Staatliche Graphische Sammlung

Sibilla gehörte der weit verstreuten, niederadeligen Familie von Bondorf an. Sie könnte mit dem Franziskanerprediger Konrad von Bondorf († 1510) aus dem Franziskanerkloster Villingen verwandt sein.[1]

Sibilla von Bondorf wuchs vermutlich im Freiburger Kloster St. Klara auf, das in den Jahrzehnten zuvor unter Magdalena Beutlerin reformiert worden war.[2] In diesem Kloster wurde Sibilla erstmals als Buchmalerin tätig. Es ist anzunehmen, dass sie vor Ort ihre Ausbildung erhielt und für ihre eigenen Bildschöpfungen auf die lokale Buchmalerei zurückgriff.

Bis 1483 ist sie in Freiburg nachweisbar.[3] In diesem Jahr zog sie in die Straßburger Niederlassung St. Klara auf dem Wörth, das der Straßburger Rat durch Nonnen von außerhalb neu zu besiedeln suchte.[3] Hier schuf sie um 1490 mit Äbtissin Magdalena Steimerin (amt. 1484/85–1499)[4] ein Buch über Klara von Assisi, das neben einer Vita auch Briefe und Mirakel enthält. 1524 wird sie in Straßburg noch in einem Pachtvertrag erwähnt.[3] Entweder starb sie dort oder sie zog kurz vor ihrem Tod wieder zurück nach Freiburg, was von einigen Forschern aufgrund einer erst in Straßburg hergestellten Handschrift angenommen wird, die einen Besitzvermerk der Freiburger Niederlassung trägt.[5]

Sibilla von Bondorf illuminierte vornehmlich Andachtsbücher, Musikhandschriften und alemannische Heiligenlegenden, etwa die der prominenten Ordensheiligen Franziskus von Assisi nach Bonaventura und Klara von Assisi nach Thomas von Celano. Sie stattete auch eine Ordensregel des Bickenklosters in Villingen und Gesangbücher weiterer Freiburger Klöster malerisch aus.

Sibilla selbst ist gelegentlich als Nonne ins Bild gebracht. In der Klarissenregel aus Villingen (London, British Library, Add. MS 15686) gibt sie auf fol. 1r Auskunft über ihre Tätigkeit: „hec pictura e(st) a sorore sibilla de bondorff orate deu(m) pro ea“.

Oft sind neben Sibilla auch die Schreiberinnen namentlich bekannt, so etwa ihre Freiburger Schwester Elisabeth Vogtin, die um 1481 die Vita der heiligen Elisabeth von Thüringen nach der mittellateinischen Vorlage des Erfurter Dominikaners Dietrich von Apolda in die deutsche Regionalsprache übersetzte,[6][7] Elsbeth Töpplin aus dem Freiburger Dominikanerinnenkloster St. Agnes oder Agnes von Mülheim, Priorissa des Straßburger Dominikanerinnenkonvents St. Margarete und St. Agnes († 1521), die den Text der Bamberger Handschrift abfasste.[8]

  • Winterteil eines Antiphonales, vor 1476 (Freiburg, Adelhausenstiftung, MS A1212)[9][10]
  • Vita des heiligen Franziskus von Assisi, um 1478 (London, British Library, Add. MS 15710)[11][12]
  • Neun Miniaturen aus einer Vita des heiligen Franziskus von Assisi, um 1478 (München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv. Nr. 39837–39845)[13][14]
  • Klarissenregel aus dem Bickenkloster in Villingen, um 1480/85 (London, British Library, Add. MS 15686)[15][16]
  • Vita der heiligen Elisabeth von Thüringen, um 1481 (Leipzig, Deutsches Buch- und Schriftmuseum, Klemm Sammlung Nr. I, 104)[17][18][19][20][21]
  • Sommerteil eines Antiphonales, vor 1485 (Freiburg, Augustinermuseum, Inv. Nr. 11731)[22][10]
  • Sequentiar, vor 1485 (Freiburg, Universitätsbibliothek, MS 1131)[23]
  • Lektionar und Vita der heiligen Margarethe, nach 1485 (Bamberg, Staatsbibliothek, Msc. Lit. 119)[24][25]
  • Buch über Klara von Assisi, um 1490/02 (Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Thennenbach 4)[26][27][28]
  • Eingeklebte Vorzeichnung der Vision des Johannes auf Patmos, um 1489/99 (Berlin, Staatsbibliothek, MS germ. fol. 88, fol. 190r)[29][30]
  • Eingeklebte Miniatur der Vision des Johannes auf Patmos, vor 1524 (München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv. Nr. 38510)
  • Martyrium des heiligen Erasmus, vor 1524 (München, Staatliche Graphische Sammlung, Leihgabe der Universitätsbibliothek)[25]
  • Eingeklebte Miniatur der heiligen Barbara in einem Breviar, vor 1524 (St. Gallen, Stiftsbibliothek, MS. 406, fol. 6v)[31][32][33]
  • Drei eingeklebte Miniaturen in einem Gebetbuch mit 77 Meditationen, in denen Christi Name gelobt und geehrt wird, um 1525 (Freiburg, Augustinermuseum, Inv. Nr. 11738)[34][35]
  • Eric Steingräber: Neun Miniaturen aus einer Franziskus-Vita. In: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 13 (1952), S. 237–241.
  • Christian von Heusinger: Spätmittelalterliche Buchmalerei in oberrheinischen Frauenklöstern. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 107 (1959), S. 136–160.
  • David Brett-Evans (Hrsg.): Bonaventuras Legenda Sancti Francisci in der Übersetzung der Sibilla von Bondorf (= Texte des späten Mittelalters. Band 12). Schmidt, Berlin 1960.
  • David Brett-Evans: Sibilla von Bondorf. Ein Nachtrag. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 86 (1967), S. 91–99.
  • Kurt Ruh: Sibilla von Bondorf. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Band 8, Berlin u. a. 1992, Sp. 1133 f.
  • Reinhard Müller: Sibilla von Bondorf. In: Deutsches Literatur-Lexikon. Band 17. Berlin/Boston 1997, Sp. 568.
  • Jeffrey F. Hamburger: Nuns as Artists. The Visual Culture of a Medieval Convent. Berkeley 1997.
  • Werner Heiland-Justi: Drei Handschriften aus dem Klarissenkloster in Freiburg im Breisgau. Eine Untersuchung zu den Einbänden von Rolet Stos und zu den Miniaturen von Sibylla von Bondorf. In: Zeitschrift für schweizerischer Archäologie und Kunstgeschichte 63 (2006), S. 277–290.
  • Anne Winston-Allen: ‚Nonnenmalerei‘. Iconography in Convent Women’s Art of the Upper Rhine Region. In: Barbara Fleith, René Wetzel (Hrsg.): Kulturtopographie des deutschsprachigen Südwestens im späteren Mittelalter (= Kulturtopographie des alemannischen Raums. Band 1). De Gruyter, Berlin/New York 2009, S. 141–156.
  • Anne Winston-Allen: Networking in Medieval Strasbourg. Cross-Order Collaboration in Book Illustration among Women’s Reformed Convents. In: Stephen Mossmann (Hrsg.): Schreiben und Lesen in der Stadt. Literaturbetrieb im spätmittelalterlichen Straßburg (= Kulturtopographie des alemannischen Raums. Band 4). Berlin u. a. 2012, S. 197–212.
  • Ulrike Bodemann: Sibylla von Bondorf. Buchmalerin der Klarissen. In: Barbara Henze, Maria Schüly, Stephanie Zumbrink (Hrsg.): Eine Stadt braucht Klöster. Ausstellungskatalog. Freiburg im Breisgau 2016, S. 115–118.
  • Anne Winston-Allen: „Es [ist] nit wol zu gelobind, daz ain frowen bild so wol kan arbaiten“. Artistic Production and Exchange in Women's Convents of the Observant Reform. In: Jeffrey F. Hamburger u. a. (Hrsg.): Frauen – Kloster – Kunst. Neue Forschungen zur Kulturgeschichte des Mittelalters. Turnhout 2007, S. 187–195.
  • Ulrike Bodemann: Von Schwestern für Schwestern. Miniaturenzyklen der Klarissin Sibylla von Bondorf und ihre Funktion. In: Jeffrey F. Hamburger u. a. (Hrsg.): Frauen – Kloster – Kunst. Neue Forschungen zur Kulturgeschichte des Mittelalters. Turnhout 2007, S. 197–209.
  • Werner Heiland-Justi: Sibilla von Bondorf. Malerin von heiligen Frauen und Männern. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg 2010.
  • Werner Heiland-Justi: Die Freiburger Klarissin Sibilla von Bondorf. Eine Künstlerin des 15. Jahrhunderts. In: Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins „Schau-ins-Land“ 130 (2011), S. 35–50.
  1. Vgl. Kurt Ruh: Konrad von Bondorf. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Band 5. Berlin u. a. 1985, Sp. 141–145.
  2. Klarissenkloster Freiburg - Basisdaten. In: Klöster in Baden-Württemberg. Abgerufen am 8. Juli 2024.
  3. a b c Vgl. Madlen Doerr: Klarissen und Dominikanerinnen in Freiburg im 15. Jahrhundert. Sozialstruktur und Reform. Dissertation Freiburg im Breisgau 2015, S. 41.
  4. Sabine Klapp: Pragmatische Schriftlichkeit in Straßburger Frauenklöstern des späten Mittelalters. In: Stephen Mossmann (Hrsg.): Schreiben und Lesen in der Stadt. Literaturbetrieb im spätmittelalterlichen Straßburg (= Kulturtopographie des alemannischen Raums. Band 4). Berlin u. a. 2012, S. 213–238, hier S. 233 mit Anm. 90.
  5. Vgl. David Brett-Evans: Sibilla von Bondorf. Ein Nachtrag. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 86 (1967), S. 91–99, hier S. 91 f.; Ulrike Bodemann: Sibylla von Bondorf. Buchmalerin der Klarissen. In: Barbara Henze, Maria Schüly, Stephanie Zumbrink (Hrsg.): Eine Stadt braucht Klöster. Ausstellungskatalog. Freiburg im Breisgau 2016, S. 115–118, hier S. 117.
  6. Ausweis im Kolophon auf fol. 275v.
  7. Vgl. auch Helmut Lomnitzer: Zu deutschen und niederländischen Übersetzungen der Elisabeth-Vita Dietrichs von Apolda. In: ZfdPh 89 (1970), S. 53–65, hier S. 60 f.; Caroline Emmelius: Gaude Syon. Zur Vita und zu den deutschsprachigen Paraliturgica im Elisabeth-Libellus der Freiburger Klarissen (1481). In: Pavlina Kulagina, Franziska Lallinger (Hrsg.): Vom Hymnus zum Gebet. Gattungs- und Gebrauchswechsel liturgischer Lieder in Mittelalter und Früher Neuzeit (= Liturgie und Volkssprache. Band 6). Berlin u. a. 2022, S. 239–270.
  8. Vgl. Anne Winston-Allen: „Es [ist] nit wol zu gelobind, daz ain frowen bild so wol kan arbaiten“. Artistic Production and Exchange in Women's Convents of the Observant Reform. In: Jeffrey F. Hamburger u. a. (Hrsg.): Frauen – Kloster – Kunst. Neue Forschungen zur Kulturgeschichte des Mittelalters. Turnhout 2007, S. 187–195, hier S. 191 f.
  9. Vgl. Clytus Gottwald (Bearb.): Die Musikhandschriften der Universitätsbibliothek und anderer öffentlicher Sammlungen in Freiburg im Breisgau und Umgebung (= Kataloge der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau. Band 1.2). Harrassowitz, Wiesbaden 1979, S. 153 f.
  10. a b Vgl. Christian von Heusinger: Spätmittelalterliche Buchmalerei in oberrheinischen Frauenklöstern. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 107 (1959), S. 136–160, hier S. 154–156.
  11. Vgl. Robert Priebsch (Bearb.): Das British Museum (= Deutsche Handschriften in England. Band 2). Hildesheim 1979 [1901], S. 140.
  12. Vgl. Jeffrey F. Hamburger: Nuns as Artists. The Visual Culture of a Medieval Convent. Berkeley 1997, S. 139.
  13. Vgl. Eric Steingräber: Neun Miniaturen aus einer Franziskus-Vita. In: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 13 (1952), S. 237–241.
  14. Vgl. Jutta Frings, Jan Gerchow (Red.): Krone und Schleier. Kunst aus mittelalterlichen Frauenklöstern. Ausstellungskloster. Hirmer, München 2005, S. 520, Kat. Nr. 467.
  15. Vgl. Robert Priebsch (Bearb.): Das British Museum (= Deutsche Handschriften in England. Band 2). Hildesheim 1979 [1901], S. 136.
  16. Jutta Frings, Jan Gerchow (Red.): Krone und Schleier. Kunst aus mittelalterlichen Frauenklöstern. Ausstellungskloster. Hirmer, München 2005, S. 520, Kat. Nr. 468 (Jeffrey F. Hamburg).
  17. Ulrike Bodemann: Handschriftenbeschreibung 12884. In: handschriftencensus.de. März 2023, abgerufen am 7. Juli 2024.
  18. Ulrike Bodemann: Leipzig, Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Bücherei, Klemm-Sammlung I, 104. In: Katalog der deutschsprachigen illuminierten Handschriften. 29. Mai 2024, abgerufen am 7. Juli 2024.
  19. Volldigitalisat unter https://d-nb.info/1222562618
  20. Christoph Mackert, Falk Eisermann: Sammelhandschrift mit deutschen Elisabeth-Texten. In: Dieter Blume, Matthias Werner (Hrsg.): Elisabeth von Thüringen. Eine europäische Heilige. Katalog. Petersberg 2007, S. 432–444, Kat. Nr. 285.
  21. Leben und Legende der heiligen Elisabeth. Nach Dietrich von Apolda. Mit 14 Miniaturen der Handschrift von 1481. Übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Rainer Kößling. Frankfurt am Main/Leipzig 1997.
  22. Vgl. Clytus Gottwald (Bearb.): Die Musikhandschriften der Universitätsbibliothek und anderer öffentlicher Sammlungen in Freiburg im Breisgau und Umgebung (= Kataloge der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau. Band 1.2). Harrassowitz, Wiesbaden 1979, S. 154 f.
  23. Vgl. Clytus Gottwald (Bearb.): Die Musikhandschriften der Universitätsbibliothek und anderer öffentlicher Sammlungen in Freiburg im Breisgau und Umgebung (= Kataloge der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau. Band 1.2). Harrassowitz, Wiesbaden 1979, S. 60 f.
  24. Vgl. Friedrich Leitschuh, Hans Fischer (Bearb.): Liturgische Handschriften (= Katalog der Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Bamberg. Band 1.1). Bamberg 1966 [1898], S. 257 f.
  25. a b Vgl. Christian von Heusinger: Spätmittelalterliche Buchmalerei in oberrheinischen Frauenklöstern. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 107 (1959), S. 136–160, hier S. 157.
  26. Ulrike Bodemann: Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Thennenbach 4. In: Katalog der deutschsprachigen illuminierten Handschriften. 11. Mai 2023, abgerufen am 7. Juli 2024.
  27. Klarenbuch - Cod. Thennenbach 4. In: Sammlungen. Badische Landesbibliothek, abgerufen am 7. Juli 2024.
  28. Clara Bruins: Chiara d’Assisi come ‚Altera Maria‘. Le Miniature della vita di Santa Chiara nel manoscritto Tennenbach-4 di Karlsruhe (= Iconographia Franciscana. Band 12). Rom 1999.
  29. Gisela Fischer-Heetfeld: Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 88. In: handschriftencensus.de. 10. April 2022, abgerufen am 7. Juli 2024.
  30. Vgl. Peter Becker, Eef Overgaauw (Hrsg.): Aderlass und Seelentrost. Die Überlieferung deutscher Texte im Spiegel Berliner Handschriften und Inkunabeln. Ausstellungskatalog. Zabern, Mainz 2003, S. 233 f.
  31. St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang 406. In: e-codices. Abgerufen am 8. Juli 2024.
  32. Vgl. Mengis Simone: Schreibende Frauen um 1500. Scriptorium und Bibliothek des Dominikanerinnenklosters St. Katharina St. Gallen (= Scrinium Friburgense. Band 28). Berlin 2013, S. 317–319.
  33. Ernst Tremp u. a. (Hrsg.): Frauen im Galluskloster. Ausstellungskatalog. St. Gallen 2006, S. 111 f.
  34. Vgl. Jeffrey F. Hamburger: „In the Image and Likeness of God“. Pictorial Reflections on Images and the Imago Dei. In: Jean-Claude Schmitt (Hrsg.): Femmes, art et religion au Moyen Âge. Straßburg 2004, S. 1–18, hier S. 8 f.
  35. Vgl. Christian von Heusinger: Spätmittelalterliche Buchmalerei in oberrheinischen Frauenklöstern. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 107 (1959), S. 136–160, hier S. 156 f.